Sehr geehrter Herr Präsident Bush, Ihrer bisherigen durch nichts zu beirrenden Bedrohungspolitik ist es zu verdanken, daß einer der grausamsten Diktatoren zum Abrüsten veranlaßt wurde. Sie haben erreicht, daß die Kontrolleure der UNO wieder im Irak sind und das Regime ohne Krieg entwaffnen können. Saddam Hussein mußte auch der Zerstörung seiner Raketen zustimmen ‑ zur Überraschung vieler. Etwa zu Ihrem Bedauern? Gehen Sie noch
einen Schritt weiter: Erwirken Sie einen UNO‑Beschluß, der Saddam
daran hindert, weiterhin seine als Anreiz und Prämie zu verstehenden
Unterstützungen (je 30.000 US-Dollar) für die Hinterbliebenen
palästinensischer Selbstmordattentäter zu zahlen. Wenn das gelingt,
haben Sie viel erreicht. Beschämen
Sie das alte Europa: Zeigen Sie wahre Größe und führen Sie
nicht auf Teufel‑komm‑raus einen das Völkerrecht
mißachtenden Selbstjustiz‑Krieg! Stellen Sie sich nicht auf die
gleiche Stufe mit dem einst von Ihren Amtsvorgängern geförderten und
hochgerüsteten Günstling, in den Sie wohl nicht zu Unrecht hineinprojizieren, daß er
»trickst und betrügt« und alles »nur aus Taktik«
tut. Beenden Sie endlich das viele zigtausende Menschen ‑ zumeist Kinder ‑
hinmordende Embargo! Stellen Sie Ihre Behauptung unter Beweis, daß es Ihnen darauf ankommt, in dieser Region »eine neue Ordnung im Sinne von demokratischen Strukturen« herzustellen. Sie können damit anfangen, indem Sie Ihre gefügig und abhängig gemachten Satrapen in Pakistan, Saudi‑Arabien und Ägypten dazu veranlassen, der Demokratisierung ihrer Länder nicht länger im Wege zu stehen.
Wenn Sie sich allerdings ‑ gegen den Mehrheitswillen der
Weltöffentlichkeit und ohne UNO‑Mandat ‑ dazu hinreißen
lassen, den Irak mit Krieg zu überziehen und dabei den Tod abertausender
unschuldiger Menschen von vornherein als “Kollateralschäden”
einzukalkulkieren, werden Sie zwar militärisch diesen Krieg gegen ein
entwaffnetes Regime, gegen ein darbendes, verelendetes Volk gewinnen, doch
dieser Sieg wird auf lange Zeit Ihre moralische Niederlage bedeuten.
Vorübergehend werden Sie und Ihre Finanziers Herren über das
zweitgrößte Ölvorkommen der Welt sein, gleichzeitig aber den
Islamisten und kommenden Terroristen Tür und Tor öffnen und neue
Attentate provozieren. Übermächtiger
Präsident, hören Sie nicht auf schlechte Ratgeber, die Ihnen jetzt
sagen, Sie könnten, nachdem Sie schon so viel Militär entsandt haben,
nicht mehr zurück (als wären Sie so schwach!) und Sie würden das
Gesicht verlieren, wenn Sie auf den Krieg gegen den Irak verzichteten (was
wäre das für ein Gesicht!). Ich versichere Ihnen, daß ich Ihnen
beim Rückzug Ihrer Truppen zujubeln werde wie viele andere Menschen auch.
Kehren Sie um; es ist nie zu spät. In diesem Sinne grüßt Sie Günter Wallraff PS. Als Nachtlektüre empfehle
ich Ihnen noch »Größe und Untergang des Römischen
Reiches« von Montesquieu (1734) und als gläubigem, missionierendem
Christen die Bibel –insbesondere die Bergpredigt -, ansonsten den Spruch »Wer zum
Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen« sowie als
Denkanstoß auch noch eine häufig bewährte Volksweisheit aus dem
alten Europa: »Der Klügere gibt nach.« | ||
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