10.01.2003 Auf
eigene Faust Hingehen,
„wo die Sauereien sind“: Blüm, Neudeck und Wallraff
kämpfen für die Menschenrechte Von Christian
Böhme Ihre selbst
gestellte Aufgabe ist riskant. Es könnte sogar manchmal gefährlich
werden. Viele Freunde werden sich die drei Männer wohl auch nicht machen.
Manch einer wird sie gar belächeln. Darüber sind sich Norbert
Blüm, Rupert Neudeck und Günter Wallraff im Klaren. Doch abschrecken
kann sie diese Aussicht nicht. Der ehemalige Arbeitsminister, der einstige Chef
der Hilfsorganisation Cap Anamur und der Journalist sind fest entschlossen: Sie
wollen gemeinsam auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen.
Überall. „Wir
reisen dorthin, wo Menschen in Not leben, gefoltert werden oder vom Tode
bedroht sind und die Welt wegschaut“, sagt Wallraff. Das Schreckliche
dürfe nicht vergessen werden. Sein Mitstreiter Blüm ist da noch
deutlicher: „Wir gehen dahin, wo die Sauereien sind. Das gilt für
unsere Freunde wie für unsere Gegner.“ Denn eines steht für den
unbequemen CDU-Politiker fest: „Wer nichts zu verbergen hat, lässt
seine Tür offen.“ Doch der überzeugte Christ Blüm warnt
auch davor, alle westlichen Vorstellungen von Menschenrechten als
Exportschlager verkaufen zu wollen. Sein Grundnenner ist daher einfach:
„Alle Menschen sind Kinder Gottes. Keiner darf gequält
werden.“ Das
Männertrio will aber nicht nur Öffentlichkeit schaffen. Es
möchte auch bedrohten Menschen konkret helfen. „Wenn es uns gelingt,
zum Beispiel einem Einzelnen Asyl zu verschaffen oder Hilfsaktionen anzuregen,
dann wäre das schon ein Erfolg“, findet Wallraff. Die dafür
nötigen Erfahrungen und vor allem Kontakte bringt Neudeck mit. Doch
Menschenrechtsarbeit ist mühsam. Diese Erfahrung haben Blüm, Neudeck
und Wallraff gerade bei ihrem ersten gemeinsamen Einsatz machen müssen. Am
Dienstag scheiterten sie bei dem Versuch, über Moskau in das Grenzgebiet
zwischen Tschetschenien und Inguschetien zu reisen. Dort wollten sich die drei
über die katastrophale Lage in den Flüchtlingslagern informieren.
Auch eine Fahrt in das völlig zerstörte Grosny war geplant. Doch dazu
kam es nicht. Gleich nach
ihrer Ankunft auf dem Moskauer Flughafen wurden die Deutschen von russischen
Sicherheitskräften aus der Warteschlange ausgesondert. Man führte sie
in einen Verhörraum und forderte sie auf, sofort das Land wieder zu
verlassen. Ihnen müsse wegen Visa-Vergehen die Einreise verweigert werden.
Ein Vorwand, glaubt Wallraff. Die Papiere seien in Ordnung gewesen. „Die
russische Regierung wollte nur nicht, dass wir über Mord und Willkür
in Tschetschenien berichten.“ Überhaupt sei das Gespräch in
schroffem Ton geführt worden. Den Kontakt zur deutschen Botschaft
hätten die Polizisten ebenso verweigert wie den Gang zur Toilette. Alle
Proteste gegen die unfreundliche Behandlung halfen jedoch nichts. Blüm,
Neudeck und Wallraff mussten unverrichteter Dinge nach Köln
zurückfliegen. Ein Skandal, schimpft Neudeck. Einer, der am Montag auch
Außenminister Joschka Fischer beschäftigen wird. Entmutigt ist
das Trio aber nicht. Tschetschenien, wo „nach Zeugenaussagen die
schlimmsten Menschenrechtsverletzungen weltweit begangen werden“
(Wallraff), bleibt ihr Thema Nummer eins. „Man darf nicht gleich bei der
ersten Niederlage aufgeben“, sagt Blüm. Das weiß er aus
eigener Erfahrung. Vor Jahren war ihm mal die Einreise ins kommunistische Polen
verwehrt worden. Einige Zeit später war Blüm dann doch da.
Überhaupt haben er und seine Freunde viel Erfahrung im Kampf für die
Menschenrechte. Gerade der CDU-Politiker hat sich damit oft unbeliebt gemacht.
Als Arbeitsminister kritisierte er öffentlich Chiles Diktator Pinochet.
Und vor kurzem nannte er Israels Vorgehen gegen die Palästinenser einen
„Vernichtungskrieg“. Wallraff hat 1974 in Griechenland am eigenen
Körper erfahren, was Folter bedeutet. Auch da hat Blüm Rabatz
gemacht. Ja, die drei kennen und schätzen sich. Sudan, Kosovo, Nordkorea,
Afghanistan – dort waren sie schon in Sachen Menschenrechte tätig.
Aber erst vor gut zwei Monaten kamen sie am Telefon überein, künftig
gemeinsam „dem Teufel vor die Hütte zu ziehen“. 2002 © Verlag Der Tagesspiegel GmbH | ||
![]() | ![]() | ![]() |